Choralphabet

Rampensäue

Wir Rampensäue

Das Lob dienstagabends nach den großen Konzerten ist obligatorisch, fällt in der Ära Tobias Horn in der Regel aber wenig überschwänglich aus. Bis auf ein Mal. Da lässt er die Sau raus. „Dein Chor“, so zitiert der Meister, kurz bevor er gleich wieder in die Tasten des Flügels haut, unseren heißgeliebten Tenor Andreas Weller, „dein Chor sind alles Rampensäue.“ Der Chef lacht glücklich. Und schaut in unzählbar viele entsetzte Gesichter. Rampensäue? Wir? Haben wir so entsetzlich gesungen? Das muss er erklären. Und wirklich, Horn übersetzt: Wenn es darauf ankommt, dann steht die Kantorei da wie eine Eins. Jeder einzelne von uns. Mehr Präsenz geht nicht. Mehr Lob auch nicht.

Gertrud Schubert,
Sopran 1997

Rascheln

Rascheln verboten

Während der Proben mit unserem ehemaligen Chorleiter Tobias Horn war es strengstens untersagt, raschelnde Geräusche von sich zu geben oder gar Nebengespräche zu führen. Sogar ein kleines Bonbonpapier konnte zum Verhängnis werden. Um so mehr staunte ich, als beim letzten großen Konzert in der Friedenskirche der Cembalist während der Hauptprobe seine Knabbertüte hervorholte und genüsslich und geräuschvoll sein Trockenobst naschte.

Mirijam Bäßler,
Sopran seit 2014

Reise

Reisefieber steckt an

Chorwochenende auf dem Rappenhof, dem Feriendomizil der Karlshöhe, lang, lang ist’s her. Die abendliche Chorprobe war geschafft, es gab zum Wein köstliche Schnittchen und ich saß Gerti gegenüber. Mit ihrer Erzählung führte sie mich weit weg in eine andere Welt. Sie berichtete von ihrer Reise durch Jordanien, von Petra. Vor Begeisterung bekam sie ganz rote Backen und hörte nicht auf zu schwärmen. Wir hatten alles um uns herum vergessen. Sofort wusste ich: Da will ich auch hin.

In der Folgezeit las ich alles über die Nabatäer, was ich finden konnte, aber die Reise wurde immer wieder verhindert. Es dauerte über 20 Jahre, bis ich endlich dorthin kam. Nie habe ich deine spannende Erzählung vergessen, liebe Gerti. Danke.

Hanne Gölz,
Alt 1988 bis 2020

Ronchamp
Überraschung für die Kirchenbesucher in Ronchamp. Die Kantorei singt im Kirchenraum kreuz und quer verteilt das Vaterunser von Maurice Duruflé.

Notre père dans la Chapelle Notre-Dame-du-Haut, Ronchamp

War es ausgemacht? Hatten wir die Notenblätter dabei? Sangen wir auswendig, weil wir es schon so oft gesungen hatten? Wie auch immer: Es war ein tief berührender Moment, die eine oder der andere mag ihn sogar “heilig” nennen. Auf unserem Retour von Montebeliard, wir hatten in der Partnerstadt von Ludwigsburg das Requiem von Maurice Duruflé gesungen, machten wir einen Abstecher nach Ronchamps. Es war später Sonntagvormittag. Die Sonne malte durch die vielen kleinen Glasfenster bunte Strahlen in den Kirchenraum. Das Licht flirrte. Der Staub tanzte. Wir waren nicht allein. Um uns, zwischen uns, ganz nah bei uns viele französische Sonntagsausflügler, die wie wir den Raum durchschreitend die Atmosphäre von Corbusiers Notre-Dame-du-Haut in sich aufsogen. Da zog Tobias Horn seine Stimmgabel aus der Jackentasche, summte die Anfangstöne, hob unauffällig die Hand -  und wir fluteten die Chapelle mit Duruflé. “Notre Père qui es aux cieux” von allen Seiten. Alle sangen, wo sie gerade standen, die Touristen mitten unter uns. Ein unfassbar schöner Augenblick.

Gertrud Schubert,
Sopran seit 1997

Rundfunk

Rundfunkübertragung, länger als geplant

Der Gottesdienstablauf an Ostern 1986 war mit dem Aufnahmeteam des Deutschlandfunks bis ins letzte Detail abgesprochen. Um die Sendezeit einzuhalten, war alles durchgetaktet, auch das etwa einminütige Nachspiel der Posaunen. Aber irgendetwas war bei der Liveübertragung dann doch kürzer  als geplant. Vielleicht die Predigt? Das kurze Posaunenspiel begann und sollte schon zu Ende sein, aber das Aufnahmelicht brannte noch. Kurzerhand ließ Dirigent Siegfried Bauer das Stück nochmals blasen. Doch das Licht leuchtete noch immer. Da drehte er plötzlich seinen Kopf Richtung Aufnahmeleiter Johannes Kuhn in der ersten Bankreihe und rief: “Abschalten!” Ob dies die Radiohörer gehört haben, ist mir unbekannt. Aber kurz danach erlosch das Aufnahmelicht.

Wolfgang Gaub,
Tenor etwa 1993 - 2017

Kurz & Knapp

Dreckbollen an den Schuhen

Chorprobe mit Siegfried Bauer im November 1982, Karlshöhe, Kolleggebäude H3: Als junge Studentin singe ich zum ersten Mal beim Weihnachtsoratorium mit. Im Dritten Teil Nr. 26 kommt der Einsatz der Tenöre und Bässe: „Lasset uns nun gehen gen Bethlehem…“. Siegfried Bauer unterbricht sofort: „Ihr Männer, ihr kommt daher, als ob ihr Dreckbollen an den Schuhen hättet.“ Das sitzt. Bei jeder Aufführung des Weihnachtsoratoriums freue ich mich auf den leichtfüßigen Einsatz der Männer.

Beate Vogelgsang (geb. Kempter), Sopran, 1980 – 1983 und seit 2008

Erkennungsmerkmal

Immer mitnehmen! An ihm ist der Sänger, die Sängerin zu erkennen: Der Schal wird mindestens dreimal um den Hals gebunden, egal ob im Herbst, Winter oder Frühling. Er ist ja auch wirklich unentbehrlich in den oft wenig beheizten Kirchen.

Catherine Moll, Sopran 1992 – 2012, seitdem Alt

Singen weckt sämtliche Lebensgeister

Kantorei der Karlshöhe war für mich das Zauberwort über 25 Jahre hinweg. Ich konnte noch so müde sein – kaum war ich in der Chorprobe, kamen sämtliche Lebensgeister zurück und ich habe mit viel Freude und Herzblut gesungen. In all den Jahren habe ich drei Dirigenten erlebt, ein jeder genial in seiner Art, es gab unvergessliche Aufführungen und ich bin vielen wunderbaren Menschen begegnet.

Dankbar und beschenkt blicke ich auf diese Zeit zurück und wünsche der Kantorei der Karlshöhe mit ihrem Dirigenten Nikolai Ott, dass sie nach der Coronapause wieder mit Schwung beginnen kann. Ich freue mich schon auf die nächste Aufführung, die ich dann als Zuhörerin erleben und genießen darf.

Gerti Benner, Sopran 1995 - 2020

Wir Rampensäue

Das Lob dienstagabends nach den großen Konzerten ist obligatorisch, fällt in der Ära Tobias Horn in der Regel aber wenig überschwänglich aus. Bis auf ein Mal. Da lässt er die Sau raus. „Dein Chor“, so zitiert der Meister, kurz bevor er gleich wieder in die Tasten des Flügels haut, unseren heißgeliebten Tenor Andreas Weller, „dein Chor sind alles Rampensäue.“ Der Chef lacht glücklich. Und schaut in unzählbar viele entsetzte Gesichter. Rampensäue? Wir? Haben wir so entsetzlich gesungen? Das muss er erklären. Und wirklich, Horn übersetzt: Wenn es darauf ankommt, dann steht die Kantorei da wie eine Eins. Jeder einzelne von uns. Mehr Präsenz geht nicht. Mehr Lob auch nicht.

Gertrud Schubert, Sopran 1997

Große Aufregung

Die Matthäuspassion war mein erstes großes Werk mit der Karlshöher Kantorei. Ich werde nie die Aufregung und das Kribbeln vergessen, das diese Aufführung mit sich brachte.

Mirijam Bäßler, Sopran seit 2014

Hefezopf, mit und ohne Zibeben

In unserer bunten Chorgruppe gibt es einen gelernten Bäcker, der zu jeder Generalprobe für die Solisten und Instrumentalisten zwei mächtige Hefezöpfe kredenzt. Und weil Hermann Emmerling weiß, dass sich an den Rosinen die Geister scheiden, ist immer ein Zopf mit, der andere ohne Zibeben. So schmeckt er allen.

Christa Fröhlich, Sopran seit 2009

Singen macht glücklich und frei

Gemeinsame Proben, Konzerte eröffnen für mich immer wieder eine Dimension der Tiefe, Gelassenheit, Verbundenheit und Zuversicht. Singen mit der Kantorei macht glücklich und frei.

Elfie Peter-Lehmann, Sopran seit 2007

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