
Foto: Reiner Pfisterer ©
Lobgesang?
Nichts passt besser zu unserem Jubiläum und in diese Zeiten
Als der Rat der Stadt Leipzig 1840 den „Lobgesang“ bei Felix Mendelssohn-Bartholdy in Auftrag gab, stand der Komponist am Ende einer fast eineinhalbjährigen Schaffenskrise. Er hatte allen Grund zur Freude. Anlass der Auftragskomposition war der 400. Jahrestag der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg. Der überlange „Auftakt“ der Sinfonie-Kantate ist also keineswegs ohne Grund textfrei. Mendelssohn feiert mit seiner Musik vielmehr eine Zeitenwende, die Aufklärung: „Die Nacht [der Unwissenheit] ist vergangen, der Tag ist gekommen.“
„Wann singt die Kantorei denn endlich?“ Das mag sich das Publikum fragen, wenn der Chor im ersten Drittel der Sinfonie-Kantate eisern schweigt. Das Singen wird herbeigesehnt, von Sängern wie von Zuhörern. So geraten die 500 Takte, die ohne Weiteres textiert werden könnten, unversehens auch zum Sinnbild für das ungeduldige Warten auf das Ende des bis dato eineinhalb Jahre währenden Lockdowns. „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ fragt der Tenor. Der Finsternis folgt das Licht und „Alles, was Odem hat“ jubelt.
Schon vor der Pandemie stand fest, dass die Kantorei der Karlshöhe zu ihrem 50-jährigen Bestehen Mendelssohns „Lobgesang“ anstimmt. Doch im bangen Beobachten wieder steigender Corona-Zahlen stellte sich die Frage, ob das Ende der Finsternis nicht viel zu früh bejubelt wird. Menschen sind gestorben, wirtschaftliche Existenzen zerstört, Familien zerbrochen, Kinder nachhaltig benachteiligt. Darf man da loben? Kann man „Danke“ sagen?
Auch wir befinden uns heute in einer Zeitenwende: Die Erfindung des Internets und die allgemeine Zugänglichkeit des Netzes macht jeden Einzelnen zu einem potenziellen Autor und vor allem zum Konsumenten. Bildung – bisher doch an den Druck gebunden – gibt es nun digital. Informationen sind in Echtzeit verfügbar. Die Kehrseite dieser Informationsflüsse ist verheerend: fake news, nicht journalistisch geprüfte, schnell hochgeladene Informationen und Analysen führen zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Ist da „Lobgesang“ angebracht?
Felix Mendelssohn-Bartholdy setzte die Folgen, die die Erfindung Gutenbergs nach sich zogen, in eine Allegorie biblischer Worte. Sie sind gleichzeitig auch zu verstehen als eine Allegorie auf die schier unendlichen Fragen nach der „conditio humana“, der „Natur des Menschen“, Fragen, die sich die Menschheit seit Anbeginn der Zeit stellt und auch in Zukunft stellen wird. Er vermittelt uns dabei Gottvertrauen, Zuversicht und Hoffnung trotz aller Anfechtungen, Sorgen und Nöte – eine Botschaft, die wir heute genauso dringend brauchen wie damals. In allen Belangen ist der „Lobgesang“ folglich auch und gerade heute hochaktuell: Er ist ein Ausdruck unseres (Gott)vertrauens und auch unserer Lebensfreude, die der Pandemie und allen Widrigkeiten des menschlichen Lebens, manchmal auch ein Stück weit trotzig, entgegentreten will!
Empfehlungen:
- Das Jubiläumsjahr — von Felix Mendelssohn-Bartholdys „Lobgesang“ zu Josef Haydns „Schöpfung“ (Autor: Nikolai Ott)
- Ein Lobgesang zum Fünfzigsten Artikel der Ludwigsburger Kreiszeitung LKZ vom 23.10.2021 (Autor: Dietholf Zerweck)
Die Veranstaltung wurde unter Beachtung der aktuellen Corona-Verordnung durchgeführt.
- Art der Veranstaltung
- Konzert
- Veranstaltungsort
- Friedenskirche Ludwigsburg
- Datum
- Samstag, 13.11.2021, 19:00 Uhr
- Eintritt
- 15 | 20 | 25 EUR (ermäßigt jeweils abzgl. 5 EUR)
- Programm:
- Felix Mendelssohn Bartholdy
- „Lobgesang“ op. 52
- Solisten:
- Sopran
- Ulrike Härter
- Sopran
- Anna Escala
- Tenor
- Hubert Mayer
- Orchester
- Sinfonia 02
- Konzertmeister
- Mathias Neundorf
- Chor
- Kantorei der Karlshöhe Ludwigsburg
- Musikalische Leitung
- Nikolai Ott
Presseecho
"Eine Feier leuchtender Vernunft" titelte Harry Schmidt von der LKZ am 15. November 2021. Über die im Kleinen vorgeschaltete Sinfonie ... "Wundervoll zurückgenommen ausgesungen geraten die Dialoge der Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotte, farbreich und nuanciert auch die Blechbläser, kantabel die Streicher – angeführt von Konzertmeisterin Simone Reiniker, präsentiert sich die Sinfonia 02 in Hochform."
"Was folgt, ist das Ergebnis einer enormen Energieleistung des Chors: Lediglich knapp zwei Monate mussten ausreichen, um die zuweilen achtstimmige Partitur mit vielen Fugato-Passagen einzustudieren. Das Ergebnis lässt sich hören: Strahlender Chorklang mit klaren Konturen, sicher und ausdrucksstark intoniert."
Über die Solisten schreibt er "Hubert Mayer – mit hell schimmerndem, balsamisch sich verströmendem Tenor setzt er in seinen Arien und Rezitativen dem gelungenen Jubiläumskonzert so manches Extra-Glanzlicht auf. [...] Ulrike Kristina Härter von der Orgelempore aus – ihr lyrischer Koloratursopran verkündet das Ende der Finsternis, ein erster, leuchtender Funke in der Dunkelheit. [...] Dritte im Bunde der Solostimmen ist Anna Escala, deren Sopran dunkeler timbriert ist als der ihrer Kollegin, was ihrem Duett „Ich harrete des Herrn“ sehr zugute kommt."
Harry Schmidts Resümee des Abends ... "Mit Händen zu greifen war die aufrichtige Dankbarkeit der rund 250 Besucher in der Friedenskirche für den musikalischen Hochgenuss, nach der zweiten Verbeugung mit Fußeinsatz unterstrichen."
Impressionen vom Konzerttag
aus der Friedenskirche Ludwigsburg (Fotos: Michael Fuchs).
Konzertvideo, Plakat
Ein herzliches Dankeschön
unserern Spendern, Partnern & Sponsoren ohne deren Unterstützung dieses Konzert nicht möglich gewesen wäre.
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News & Veranstaltungen


Aufnahme der Uraufführung "Beben" 2017 von Jan Kopp
Beben Jan Kopp

Die ersten Chorproben des Jahres 2021 ...
... konnten im Juni endlich stattfinden

Offene Chorprobe
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Nikolai Ott über Lobgesang ...
... und das Jubiläums-Wochenende der Kantorei

"Lobgesang" der Kantorei
Mendelssohn Lobgesang

2021 Sing-Along-Gottesdienst

2022 Ola Gjeilo, Sunrise Mass

Mai 2022 - Chormusik trifft Poetry Slam
